Auszug: |
Aus dem Schlussplädoyer: "1. Ich plädiere für eine engere Fassung des Behinderungsbegriffs. Entsprechend der italienischen Praxis sind Schüler mit Beeinträchtigungen des Lernens, der Sprache und der Verhaltens nicht als Behinderte zu bezeichnen. Das diagnostische Etikett ist bei lernbehinderten, sprachbehinderten und verhaltensgestörten Schülern eine unnötige Diskriminierung. Weder die Eltern noch die Öffentlichkeit bezeichnen diese Schüler als Behinderte, und auch die Schüler selbst erleben sich nicht als behindert. Alle diese Schüler gehören nicht in Sonderschulen, sondern in allgemeine Schulen. Lern-, Sprach- und Verhaltensprobleme sind die normalste Sache der Welt, wir alle sind mehr oder minder davon betroffen. Wir müssen anfangen, das Anderssein dieser Kinder ohne diagnostische Stigmatisierung zu akzeptieren. 2. Bei Kindern mit Lern-, Sprach- und Verhaltensstörungen ist der Begriff sonderpädagogischer Förderbedarf nicht als eine individuale, personbezogene Eigenschaft zu interpretieren. Sonderpädagogischer Förderbedarf für lern-, sprach- und verhaltensgestörte Kinder ist vielmehr eine systemische Kategorie. Förderbedarf ist eine Systemeigenschaft heterogener Lerngruppen (Fechler 1987)! Nicht die behinderten Kinder sind der entscheidende Legitimationsgrund für ein zeitweiliges Zwei-Pädagogen-System, sondern die pädagogischen Förderbedürfnisse einer heterogenen Lerngruppe. Dementsprechend sind Förderressourcen auch nicht ad personam, für namhaft zu machende Kinder zu gewähren, sondern heterogenen, integrativen Lerngruppen als ganzen zuzuweisen. - Bei nichtbehinderten Kindern verhält es sich übrigens nicht anders. Lehrerinnen werden üblicherweise nicht einzelnen Kindern, sondern immer ganzen Klassen zugeordnet, und kein nichtbehindertes Kind hat einen Anspruch auf einzelne Lehrerstunden, quasi auf Bruchteile einer Lehrerin." |