ISaR Projekt

Inclusive Services and Rehabilitation

Virtuelles Kompetenzzentrum zur Unterstützung von Schülerinnen und Schülern mit einer Sehbeeinträchtigung

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Diskussion

Hier werden in der Blinden- und Sehbeeinträchtigtenpädagogik umstrittene Themen behandelt. Die angebotenen Beiträge geben nur den Standpunkt der jeweiligen Autoren wieder. Schreiben Sie uns bitte eine E-Mail, wenn Sie etwas zu den Beiträgen anmerken möchten.

1. 6 oder 8 Punkt Braille

Stellungnahme des Brailleschriftkomitees der deutschsprachigen Länder vom 27. September 2001:
"Die Eurobraillezuordnungstabelle als "Erweiterung des 6-Punkte-Systems von Louis Braille" zu verstehen, ist historisch und sachlich falsch. Beim 8-Punkt-Eurobraille haben wir es vielmehr mit einem Spezialpunktschriftsystem zu tun, das unter der Zielvorgabe der Schaffung einer 1:1-Zeichenzuordnung gegen Ende des vorigen Jahrhunderts als Schrift zur Schreibkontrolle für Blinde am Computer entwickelt wurde. Im Unterschied zu allen Punktschriftsystemen (nicht nur des deutschsprachigen Raums), deren Regelsystem sich stets vom Ziel der Optimierung des Leseflusses leiten ließ und lässt, ist diese Zielbestimmung für das Eurobraillesystem keineswegs kennzeichnend und als Vorgabe zur Ausarbeitung der Zuordnungstabellen nie formuliert worden.
Eine "Erweiterung" des 6-Punkt-Systems von Louis Braille stellt Eurobraille allein schon deshalb nicht dar, weil es die Kernidee des Blindenschrifterfinders, nämlich die Anzahl zulässiger Punkte genau auf 6 zu beschränken, missachtet.
Aus der Zielvorgabe zur Festlegung des Eurobraillesystems ergibt sich zwingend, dass bei dieser Schrift auch im Bereich des 6-Punkt-Anteils einer 8-Punkt-Braillezelle extrem schwierig zu ertastende Punktkonstellationen zur Wiedergabe diverser Zeichen benutzt werden müssen, die in keinem 6-Punkt-System der Welt als taktile Repräsentanten selbstständiger Symbole vorkommen. Zu erwähnen sind die Redeanführungs- und -schlusszeichen (ausschließlich Punkt 4) sowie das Ausrufezeichen (Punkt 5).
Unter Punktschriftlesern unbeliebt, weil schwierig zu ertasten, sind nicht nur die Punktsymbole, bei denen ausschließlich die rechten Punkte einer 6-Punkt-Braillezelle eingesetzt werden ..., sondern auch die untersten Punkte einer 8-Punkt-Brailleform, also die Punkte 7 und 8. Letztere vergrößern die pro Zeichen abzutastende Fläche um gut 33 %. Dies führt nicht nur zu einer entsprechenden Vergrößerung des Volumens der Printmedien, sondern hat vor allem schwerwiegende Tastsensibilitätsprobleme zur Folge. Die Ausdehnung von Schriftzeichen in vertikaler Richtung fordert vom tastend lesenden Menschen eine gleichmäßig verteilte Tastsensitivität in einem entsprechend größeren Bereich der Fingerkuppe des Zeigefingers. Dieser Anforderung werden wir Menschen physiologisch gar nicht gerecht. Dieses biologisch-physiologische "Unvermögen" mit pädagogischen Mitteln bekämpfen zu wollen, hieße, Don Quichotte im Kampf mit Lanzen gegen Windmühlen nachzueifern.

Im Eurobraille müssen aber viele Zeichen die Punkte 7 und/oder 8 aufweisen: die Großbuchstaben, die deutschen Umlaute, das Eszett und diverse Sonderzeichen.
Aus dem Zwang zur Nutzung der untersten beiden Punkte einer 8-Punkt-Braillezelle ergibt sich außerdem, dass im Unterschied zum 6-Punkt-Braille beim Eurobraille vom lesenden Menschen die qualitativ neue Fähigkeit erwartet wird, zwischen großen und kleinen vertikalen Leerräumen zwischen zwei gesetzten Punkten unterscheiden zu können. Man denke beispielsweise an die Darstellung der Buchstaben "m" (kleiner vertikaler Abstand) und "C" (identische Anordnung von Punkten, diesmal mit großem Abstand) oder "k" (linksseitig zwei gesetzte Punkte mit kleinem Abstand) und "A" (linksseitig zwei gesetzte Punkte mit großem Abstand) beim Eurobraille. Mit dem gleichen Problem haben wir es zu tun, wenn es um die Differenzierbarkeit von "n" und "D" oder von "o" und "E" im 8-Punkt-System geht. 6-Punkt-Braillesysteme können auf das beschriebene zusätzliche Differenzierungsvermögen als Anforderungskriterium an potentielle Nutzer grundsätzlich verzichten.
Das Argument der schlechten Lesbarkeit des Eurobrailles lässt sich nicht - wie häufig geschehen - mit dem Hinweis auf die spezifische Lesesozialisation derjenigen widerlegen, die die schlechte Lesbarkeit... heute konstatieren; denn viele Kritiker der 8-Punkt-Brailleschrift arbeiten tagtäglich parallel mit 6- und 8-Punkt-Systemen - und das seit vielen Jahren, manche seit fast zwei Jahrzehnten...Im Unterschied zum Eurobraille sind 6-Punkt-Braillesysteme keineswegs auf 256 Zeichen beschränkt, und sie lassen sich überdies jederzeit ausbauen. Dies ermöglicht das in allen 6-Punkt-Systemen der Welt vorzufindende Prinzip der Ankündigungstechnik. Die Ankündigungsmethode erlaubt die Darstellung von Zahlen, die Differenzierung zwischen Klein- und Großbuchstaben, die Darstellung akzentuierter Buchstaben, die Wiedergabe von Hervorhebungen, die Integration von mathematisch-naturwissenschaftlichen Termen, von fremdsprachigen Einschüben auf der Basis des landesspezifischen Blindenschriftsystems, von Eurobraillesequenzen usw., ohne dass für die "Kernsymbole" jeweils neue Punktmuster definiert werden müssen. In 6-Punkt-Systemen mit Ankündigungstechnik sind wesentlich mehr als 64 oder 256 Zeichen darstellbar. 6-Punkt-Schriftsysteme sind jederzeit in der Lage, sich geänderten Darstellungstechniken und -gewohnheiten der Schwarzschrift flexibel anzupassen. Warum sollten diese Chancen nicht genutzt werden?
Das Eurobraillesystem ist keineswegs aufwärtskompatibel zu den bisherigen 6-Punkt-Textsystemen Basisschrift, Vollschrift und Kurzschrift. Aus systematischer Sicht ergibt sich ein pädagogisch-didaktisch schwer zu vermittelnder (weil unnötiger) "Systembruch" bei Übergang von Eurobraille zu den gängigen Punktschriftsystemen auf 6-Punkt-Basis. Vermeidbare Systembrüche stellen jedoch bekanntlich immer wichtige kontraproduktive Faktoren im Hinblick auf die Entwicklung der Motivationsbereitschaft der Lernenden dar.
Es ist davon auszugehen, dass Menschen im Laufe ihrer Biografie im Durchschnitt mehr lesen als sie schreiben. Auf diesem Hintergrund ist bei der Auswahl von Schriftsystemen stets primär die Lesetauglichkeit zu prüfen. Keinem Mitglied des Brailleschriftkomitees der deutschsprachigen Länder ist auch nur ein einziger blinder Mensch direkt oder über andere bekannt, der behauptet, dass 8-Punkt-Braille ähnlich gut oder gar besser als 6-Punkt-Braille zu lesen ist. Wie können Nicht-Punktschrift-Anwender unterstellen, dass sich alle Punktschrift lesenden Menschen in einer solch fundamentalen Frage ihrer Kommunikationskompetenz schon immer geirrt haben und auch heute weiterhin irren?
Die Behauptung einer "erhöhten Rechtschreibsicherheit" bei der Verwendung von 8-Punkt-Eurobraille im Vergleich zur Nutzung eines der 6-Punkt-Systeme ist gedanklich nicht nachvollziehbar und empirisch haltlos. Alle 6-Punkt-Textsysteme kennen eindeutige Regeln zur Ankündigung von Groß- und Kleinbuchstaben, die jeden Blinden in die Lage versetzen, anhand seiner Blindenschriftausgabe eines Textdokuments präzise feststellen zu können, welche Buchstaben in der Originalvorlage groß und welche klein geschrieben sind. Die diesbezüglichen Regeln lassen sich in drei schlichten Sätzen zusammenfassen.
Das Vorgehen, sich bei der Entscheidung für das 8-Punkt-Eurobraille als Schriftsystem im Erstlese- und Erstschreibunterricht auf bestimmte wissenschaftliche Begleituntersuchungen zu berufen, ist unseriös. Untersucht wurde die Lesetechnik von lediglich fünf blinden Kindern (mit extrem stark differierenden Leseleistungen) in Schleswig-Holstein und das Leseverhalten von gar nur vier blinden Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen. Der wissenschaftliche Leiter hat in öffentlichen Diskussionen bekanntlich selbst eingeräumt, seine Untersuchungen könnten nicht als empirisch abgesichert gelten.
Der Umstieg von 6- auf 8-Punkt-Braille als Schriftsystem im Erstlese- und Erstschreibunterricht ist mit zusätzlichen Kosten verbunden. Das Angebot an 8-Punkt-Schreibmaschinen auf dem Weltmarkt ist nicht gerade üppig, und 8-Punkt-Schreibtafeln zum Anfertigen handschriftlicher Notizen sind überhaupt nicht erhältlich. Letztere müssten erst entwickelt werden. Wer kommt für den finanziellen Mehraufwand auf, der durch die notwendige Beschaffung von Schreibgeräten für 8-Punkt-Braille entsteht? Wie erklären Blinden- und Sehbehindertenschulen, die - wie im Land Nordrhein-Westfalen - erst kürzlich mit 6-Punkt-Schreibgeräten neu ausgestattet worden sind, ihren Kostenträgern den plötzlichen "Sinneswandel"?...
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Frage des Einsatzes von 6-Punkt- oder 8-Punkt-Braille keinesfalls beliebig ist. Mit ihrer Beantwortung werden im Gegenteil zentrale Weichen gestellt und wichtige Entscheidungen getroffen. Es wurde dargelegt, dass das Bestreben der Punktschriftanwender, am 6-Punkt-Braillesystem als Standardschrift der Blinden auch im deutschsprachigen Bereich festzuhalten, nicht nur von emotionaler Beliebtheit getragen wird, sondern sehr wohl rational begründet ist. Es wurde gezeigt, dass die Unbeliebtheit des 8-Punkt-Eurobrailles nicht sozialisationstheoretisch und auch nicht mit der Mutmaßung eines natürlichen Bestrebens der Menschen, an Bekanntem festzuhalten, zu erklären ist. Auch die Metapher eines "Religionskampfs" erweist sich als untauglicher Erklärungsansatz. Die kritische Haltung gegenüber 8-Punkt-Braillesystemen basiert vielmehr auf empirisch konstatierbaren und argumentativ erfassbaren Fakten."
Die gesamte Stellungnahme kann unter diesem Link gelesen werden.

2. Computerbraille und Kurzschrift

Aus dem Artikel von Ernst-Dietrich Lorenz und Renate Lorenz "Heiß geliebt und stets umstritten. Hundert Jahre Deutsche Blindenkurzschrift 1904 bis 2004" wird hier die Beurteilung der aktuellen Situation dokumentiert.

"Computerbraille und Kurzschrift

Seit Ende der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts haben blinde Menschen immer stärker die Möglichkeit genutzt, sich die Braillezeilentechnik und die Softwaremöglichkeiten nutzbar zu machen und arbeiten im Beruf und in der Freizeit viel mit dem Computer. Das gilt auch für den Unterricht in der Blindenschule, besonders aber im Bereich der integrierten Beschulung blinder und sehbehinderter Kinder.

Bei der Arbeit am Rechner wird in der Regel die federführend vom Erstautor entwickelte 8-Punkt-Computerbrailleschrift verwendet, wie sie in DIN 32982 bzw. ISO TR 11548 Teil 2 niedergelegt ist. Dies ist bei der Programmierung und vielen anderen Tätigkeiten am Rechner auch unumgänglich, weil hier eine Zeichen-für-Zeichen-Wiedergabe benötigt wird. Allerdings bieten die meisten Bildschirmausleseprogramme heute auch den Komfort, die Texte auf der Braillezeile in Kurzschrift übertragen anzuzeigen. Somit ist die Möglichkeit gegeben, insbesondere bei der Textverarbeitung in der Kombination Sprachausgabe mit Kurzschrift auf der Braillezeile zu arbeiten.

Computerbraille und Kurzschrift sind nicht, wie oft fälschlich behauptet, Konkurrenten, sondern ergänzen sich durch ihre unterschiedlichen Einsatzgebiete:
Computerbraille da, wo beim Arbeiten am Computer wirklich eine Zeichen-für-Zeichen-Darstellung benötigt wird und Kurzschrift überall dort, wo diese zeichenweise Darstellung nicht erforderlich ist.

Das heißt aber, dass die Kurzschrift überall da, wo sie sich bewährt hat, die Normalschrift der blinden Menschen bleiben wird, weil sie als 6-Punktschrift leichter und schneller zu lesen und zu schreiben ist, als die 8-Punkt- Computerbrailleschrift. Insbesondere beschert sie uns in Buch- oder Heftform auch völlige Unabhängigkeit von aller Technik.

Kurzschriftdruckerzeugnisse können überallhin mitgenommen werden. Ein Vorteil, den sicher niemand missen möchte. Ebenso wenig wie Sehende wollen die Blinden auf das Arbeiten mit dem Computer reduziert werden. Die Chance auf ein erfolgreiches Berufsleben werden blinde Menschen künftig nur haben, wenn sie sowohl die Computerbrailleschrift, als auch die Kurzschrift sicher beherrschen. Die Blindenpädagoginnen und -pädagogen stehen somit in der Verantwortung, ihre Schülerinnen und Schüler so auf Beruf und Freizeit vorzubereiten, dass sie auch die Kurzschrift sicher schreiben und flüssig lesen können [...]."

Den ganzen äußerst interessanten Artikel können Sie hier nachlesen.

3. Gefährdung durch "Schwarzlicht"

Im Folgenden werden drei Beiträge vorgestellt, die diskutieren, ob von der Arbeit mit "Schwarzlicht" gesundheitliche Gefahren ausgehen.

3.1. Stellungnahme von Sven Degenhardt

Im Heft 3/2006 von blind-sehbehindert wird in einem Beitrag von Sven Degenhardt der Einsatz von "Schwarzlicht" bei der Förderung von Sehgeschädigten in Frage gestellt.
Die wichtigsten Argumente sollen im Folgenden dargestellt werden. Eine gründliche Lektüre des Aufsatzes wird empfohlen.
Die Strahlung der UV-A- Leuchtstofflampen kann die Augenlinse (Katarakt) und die Netzhaut gefährden.
Der kleine Blauanteil im Bereich 410 nm kann zu einer Fehleinschätzung der Strahlungsintensität führen, d.h. die Intensität des sichtbaren Anteils wird als Maß der Strahlenstärke der UV-Strahlung genommen, die in Wirklichkeit viel höher ist.
"Das schwache blau-violette Licht scheint eine kleine Distanz geradezu nahe zu legen..." (225)
Auch bei indirekter Bestrahlung liegt UV-Licht vor, das reflektiert und gestreut wird. Der durch Absorption nicht mehr wahrnehmbare Blauanteil der reflektierten Strahlung erzeugt den Anschein nicht vorhandener UV-Strahlung, die aber gar nicht sichtbar ist.
Deshalb kann das Auge die Strahlendosis nicht regulieren, wie bei sichtbarer Strahlung. Die Dunkeladaption führt zu weit geöffneten Pupillen, wodurch eine höhere Strahlendosis eindringen kann.
Bestimmte Medikamente können eine Photosensibilisierung der Haut bzw. Netzhaut hervorrufen, die die Wirkung der UV-Strahlung noch erheblich verstärken können.
Davon sind v.a. Mehrfachbehinderte betroffen.
Da es keine sicheren Grenzwerte der UV-Strahlung gibt, sind die kurze Zeitdauer, ein höherer Abstand und indirekte Bestrahlung keine ausreichenden Schutzmaßnahmen.
Schutzbrillen sind nur dann geeignet, wenn sie auch einen Teil des Blaubereichs herausfiltern, was oft nicht gegeben ist. Die Sensibilisierung der Haut durch Medikamente steht dem Einsatz auch so entgegen. Daher folgert Degenhardt:
"die einzige Schutzmaßnahme bleibt der Nicht-Einsatz von UV-A-Strahlung; die Trennung von UV-A-Strahlung und Blindenpädagogik." (230)

3.2. Kritische Antwort auf die Stellungnahme von Sven Degenhardt (Autor: Fritz Buser)

Im Heft 2/2007 von blind-sehbehindert antwortet Fritz Buser dipl. Augenoptiker und Lichtdesigner auf die Ausführungen von Prof. Degenhardt, die in "Gefährdung durch Schwarzlicht" dargestellt wurden. Daraus sollen hier einige Kernaussagen dokumentiert werden:

"UV-Strahlung des "Schwarzlichtes"
ist nicht stärker als diejenige der Sonne

...Im Gegensatz zur Arbeit von Herrn Prof. Degenhardt beschränke ich mich bei meinen Ausführungen ausschließlich auf die Strahlung der Sonne und diejenige der röhrenförmigen Schwarzglaslampen analog dem Typ Osram 26 Watt "Farbe" 73. Alle anderen Lampentypen sind ohnehin abzulehnen und zum Teil tatsächlich gefährlich." ...
Anhand einer Grafik zeigt er auf, das die Strahlungsmenge der Schwarzglaslampe Osram 36/73 ;wesentlich geringer ist als diejenige des Sonnenlichtes.
"...Allerdings gibt es Unterschiede je nach Pupillendurchmesser. Im Dunkelraum sind die Pupillen größer als im Freien. Die Differenz zwischen der Fläche der Pupille bei Dunkeladaptation und Helladaptation liegt bei einem Faktor von 2.5. ("Clinical Visual Optics" von Arthur G. Bennett and Ronald B. Rabbetts )
Auch bei großer Helligkeit wird die Pupille nicht möglichst klein gehalten, sondern das Auge adaptiert so, dass die Pupille wieder etwas geöffnet werden kann und so für den nächsten Einsatz als Sofortmaßnahme zur Reduktion plötzlichen Lichteintritts bereit ist. Um wirklich sicherzugehen, habe ich aber den Faktor von 4 gewählt und das Spektrum der Osram 36/73 entsprechend angepasst. ...
Vergleichen wir jetzt die beiden Kurven, stellen wir fest, dass das Maximum der künstlichen UV Strahlung im Bereich von 370nm nm gleich groß ist wie die natürliche Strahlung in diesem Wellenlängenbereich. Ebenfalls geht daraus hervor, dass zwischen 320nm und 350nm die Sonnenstrahlung eine große Energiemenge aufweist, die im Spektrum der Osram 36/73 nicht zu finden ist. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass hier nur die Energiemenge, nicht aber die Schädlichkeit der betreffenden Wellenlängen verglichen wurde. Bekanntlich sind kurzwelligere UV-Strahlen gefährlicher als langwelligere.
Auch bei vorsichtiger Beurteilung kann daher gesagt werden, dass die Strahlenbelastung im Dunkelraum gleich oder geringer ist als im Freien." (S. 105-107)

3.3. Stellungnahme zur Kritik (Autor: Sven Degenhardt)

In blind-sehbehindert 2/2007 Antwortet Prof. Degenhardt auf die Kritik von Fritz Buser:

"Alles zurück auf Start!" Beruhigung als Maxime?"
...
Ich bin "verunsichert, wieso BUSER an keiner Stelle seiner Replik das Hauptproblem einer erhöhten Photosensibilität durch ausgewählte Medikamente einbezieht: Dieser Effekt macht es unmöglich(!), eine Grenzwertdiskussion zu führen, da durch die Hersteller keine Faktoren angegeben werden (können), die das Einhalten von Grenzwerten handhabbar machen würde. Kleinste Dosen müssen in diesem Zusammenhang definitiv Beachtung finden!

  • Die verstärkte Transmissionsfähigkeit des kindlichen Auges für den Spektralbereich der UV-Strahlung erhöht die Strahlenbelastung für die Retina. Alle internationalen Studien verweisen daher explizit auf einen besonderen Augenschutz für Kinder.
  • Angesichts der mit der Schädigungsstruktur zusammenhängenden Qualität und Quantität medikamentöser Versorgung vorrangig der Schwerstbehinderten Kinder und Jugendlichen legen die Forschungsergebnisse zu phototoxischen und photoallergischen Reaktionen der Haut und des Auges nahe, jede zusätzliche Dosis ultravioletter Strahlung zu vermeiden. Eine Grenzwertdebatte ist hier nicht möglich, da es gerade eine Spezifik dieses Phänomens ist, dass Dosen, die sonst keine direkten negativen Effekte auslösen, hier negativ wirken können.
  • Der häufige Wechsel der Körperposition (Rückenlage, Blickrichtungswechsel etc.) erhöht die Gesamtmenge der durch das Auge aufgenommenen UV-Strahlung (z. B. im Vergleich zum meist aufrechten Aufenthalt im Freien).
  • Die Schutzmechanismen reflektorischer Lidschluss und Lidspaltregulation versagen

in dem zu betrachtenden Zusammenhang, weil sie für die Regulierung der Lichtmenge ausgelegt sind.

  • Die durch die beteiligten Personen realisierte Dunkeladaption führt u. a. zu weit geöffneten Pupillen; dadurch ist das Eindringen einer wesentlich höheren Dosis der hier zu betrachtenden Spektralbereiche möglich.
  • Über die Folgen der "Langzeiteinwirkung mit geringsten Dosen" (sowohl für die Kinder als auch in größerem Maße für die Professionellen) können derzeit keine durch evidenzbasierte Studien gesicherten Aussagen getroffen werden. Die vorliegenden Studien verweisen jedoch zunehmend auf Gefahrenpotentiale; in Reaktion darauf wurden Grenzwerte gesenkt und weitere Studien in Auftrag gegeben.

(3) Das dem Sonne-UV-Strahler-Vergleich zugrunde gelegte Szenarium bildet die praktizierten Situationen nicht ab.
BUSER diskutiert ein Szenario einer 36 Watt Leuchtstofflampe, die bestmöglich indirekt, in einem Abstand von einem Meter eingesetzt wird. Darüber hinaus insistiert er insgesamt bei den Schutzmaßnahmen auf Zeit, Abstand, Indirektbeleuchtung und CR39-Gläsern. Weiterhin fragt BUSER an, wieso ich von einer Langzeiteinwirkung ausgehe. Hier wird ein Unterschied in den Erfahrungen der praktizierten Szenarien des UV-Strahlungs-Einsatzes deutlich: Dunkelräume mit acht freihängenden UV-Leuchtstofflampen in einer Höhe von einem Meter über dem liegenden Kind, mobile UV-Handleuchten für den Einsatz mit geringer Entfernung, Förderpläne mit täglichem Aufenthalt im Dunkelraum (verbunden mit dem dann ritualisierten Einschalten der UV-Strahlungs-Quellen beim Betreten des Raums), Erholungsphasen mit Snoezelen-UV-Equipment-Anleihen, selbst gebaute "Schwarzlichtkästen" (mit Indirektlösungen aber maximal 30cm Abstand zum Kind), eine Biographie der Schwerstbehinderten Menschen mit Sehschädigung von der sehgeschädigtenpädagogischen Frühförderung, der (Blinden-)Schule bis hin zu Berufs- und Altenpflegeeinrichtungen (die alle für sich mal eben nur ein wenig fluoreszierende Materialien und "Schwarzlicht" einsetzen)... nur ein zuspitzendes Extremszenario? Das Problem ist doch, dass bei dem Modell-Medienaufbau nach BUSER die Effekte der fluoreszierenden Materialien nicht mehr so "schick" sind... also wird eine Leuchte, zwei, drei ... zugeschaltet oder der Abstand verringert!
... Es soll und muss weiter fachlich hervorragend und kreativ in Frühförderung und Schule, in Arbeit und Wohnen usw. nach "visueller Aufmerksamkeit" und "Fixation" im Dunkelraum oder im "natürlichen Umfeld" geforscht und eben diese gefördert werden; es soll weiter versucht werden, Erholung und Tiefenentspannung mit Snoezelen-Szenarien zu befördern... aber das alles geht ohne zusätzliche, künstliche UV-Strahlung. Lassen wir die UV-Strahlung bei der Sonne oder bei Berufen, die wirklich "nicht ohne können"!"
(S. 111-115)